Der Tag begann – natürlich – an unserer altehrwürdigen, 1848 gegründeten Schule, die von sich selbst behauptet: “Das Ernestinum ist im bayerischen Vergleich ein kleines Gymnasium, auch wenn die anderen Coburger Gymnasien noch kleiner sind”. Ist das etwa immer noch einem insgeheim gepflegten Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem Edelgymnasium Casi geschuldet? Unsere Schule ist aber immer noch das Naturwissenschaftlich-Technische Gymnasium Coburgs, inzwischen jedoch erweitert um einen wirtschaftswissenschaftlichen Vertiefungszweig – der von vielfältigen Verflechtungen mit den bekanntlich breit gefächerten Coburger Wirtschaftsbetrieben profitiert. Und Spanisch ist als dritte mögliche Fremdsprache neben Englisch und Französisch oder Latein dazu gekommen. Vielfältigste Sportangebote ergänzen das Angebot, so etwa Mountainbiking, ja sogar Tanzen, wofür dem Ernestinum vom Bay. Tanzsportverband das Qualitätssiegel “Tanzsportbetonte Schule” zuerkannt wurde. Wär was für uns gewesen.
Bei anfangs bewölktem Wetter – es sollte im Lauf des Nachmittags dann noch in strahlenden Sonnenschein bei angenehmen Temperaturen übergehen – konnten sich die allmählich eintrudelnden insgesamt 32 Personen auf dem Lehrerparkplatz des Ernes miteinander (wieder) bekannt machen. Die Gespräche waren so interessant, dass es schwierig war ( wie übrigens früher auch ) die Teilnehmer zum „Unterrichtsbeginn“ in die Schule zu bekommen. Pünktlich um 10 begann dann die Schulführung im sog. Forum des Ernestinums, einem Versammlungsraum für die Schüler an der Stelle der früheren Turnhalle. Martin Ungelenk hatte die beiden jungen Lehrer Isabel und Manuel Gruber als Moderatoren und Führungspersonal angeheuert. Bei einem kühlen Sekt oder einem O-Saft gab es ein paar einführende Worten von Martin, den beiden Lehrern und dem Organisator Jürgen Melzer. Dabei lief im Hintergrund die von Martin erstellte Powerpoint-Präsentation mit den von Euch zur Verfügung gestellten oder von uns im Internet aufgeklaubten aktuellen (?) und alten Fotos. Die Grubers starteten dann ein von ihnen aufbereitetes Online-Quiz über die Lernplattform kahoot.it – dabei konnten die Mitspieler direkt am eigenen Handy oder über ein zur Verfügung gestelltes iPad ihre Antworten zu den 27 Fragen über die Schule, ehemalige Lehrer und aktuelle Schulangebote eingeben und so ihre Erinnerung auffrischen und ganz nebenbei auch Einiges über das Ernestinum von heute erfahren: Bei einem 60%igen Lehrerinnenanteil werden von 65 Lehrkräften rund 750 Schüler unterrichtet, davon etwa zur Hälfte Mädchen.
Bei dem Quiz gab es einige – unfaire – Einflüsterungen von Insidern, die die Rangfolge der Quizteilnehmer (man konnte sie nach jeder Frage einsehen) zu Ungunsten von weniger Beinsideten (also Jürgen) beeinflusste. Gerüchten zufolge, soll es auch Teilnehmer gegeben haben, die vergaßen, die Eingaben zu den Fragen auch zu “senden”. Tja. Vielleicht hätten wir uns vorab auf der Internetseite der Schule informieren sollen, dann hätten sicher mehr Kameraden gewusst, dass es am Ernes auch eine “Rangertruppe” gibt, die den Mitschülern auch in Fragen von Liebe, Freundschaft und Sexualität zu Seite steht.
Der Rundgang durch unsere alte Schule begann in den über dem Forum liegenden neueren “Techniksälen” für Bio, Chemie und Physik. Wir erfuhren, dass das Ernes derzeit eine der – im Hinblick auf die technische Ausstattung – am Besten versorgte Schule in Nordbayern ist, teils durch glückliche Zufälle in der Schulfinanzierung, teils auch wegen der (zumindest in den vergangenen Jahren) “reichen” Stadt Coburg als Sachaufwandsträger. Im Neubau besichtigten wir auch die Schülerbiliothek. Sie wird laut den Grubers gerne von den erstaunlich lesebegeisterten Schülern rege genutzt, leidet aber unter Budgetproblemen – wenn es nicht Zuschüsse des Vereins der Förderer des Ernestinums gäbe, wäre damit wohl kein Staat zu machen, respektive die Lust am Lesen statt am Daddeln zu fördern. Der Verein nimmt jederzeit auch Spenden entgegen…..
Im alten Hauptgebäude wurde anschließend das ehemalige Lehrerzimmer in der Nordostecke besichtigt – heute ein einfaches Klassenzimmer. Danach ging es wieder ins Erdgeschoss durch die Pausenhalle – bis heute noch fast so, wie wir sie vor 50 Jahren verlassen haben – nur den Kiosk gibt´s nicht mehr. Im ehemaligen Technikneubau in der Nordwestecke befinden sich heute Direktorat, Verwaltung und Lehrerzimmer sowie ein Robotik-Labor (Seltsame Kombination, wenn ich da so drüber nachdenke…).
Zum Schluss der Führung ging es noch durch den früheren Zeichen- und Musiksaaltrakt, an den heute in Richtung Alexandrinum die gemeinsam mit diesem betriebene Mensa im Süden quer angebaut wurde. Die anfänglichen Probleme mit mehr oder weniger mutigen Caterern ist der Schule bis heute geblieben, trotzdem sei eine gewisse Qualität immer gehalten worden. Das Mittagessen kostet heute zwischen 3,50 und 5 Euro incl. Getränk und Salat oder Nachtisch. Unser Rundgang endete auf dem Pausenhof – mittlerweile ein umfangreich mit Schülerbeschäftigungsmobiliar, Klettergerüsten, Tischtennisplatte und Bäumen ausgestatteter Bereich. Insbesondere aber ist er heute durch eine breite Treppe nach Süden zum Alexandrinum vollkommen geöffnet – viele von uns hätten sich das in ihrer Schulzeit damals anstatt des verbretterten Zauns am Weg zwischen den beiden Schulen gewünscht, einige Alexandrinen sicher auch…
Dort gab Kamerad Klaus Anderlik noch einen Überblick zu den verschiedenen Erweiterungsbauten, mit denen er als Leiter des Kultur- und Schulreferats der Stadt Coburg lange Jahre direkt beschäftigt war. Die aktuelle Diskussion über die lange Planungszeit für die Sanierung des Landestheaters (mind. 10 Jahre!) werfen gerade ein kleines Schlaglicht auf die Kompetenzgerangel und Finanzierungprobleme solcher Dienststellen, was Anderlik und Ungelenk aus leidvoller Erfahrung betätigen konnten. Eine der am längsten besprochenen baulichen Veränderungen war wohl die der deutlich erkennbar männlichen Sportlerstatue an der Rückseite des Klassenzimmertrakts: Diese Figur stammt von der abgerissenen alten Turnhalle und wurde in schülersicherer (!) Höhe von rund 5 Metern in die nackte Südfassade dieses alten Gebäudeteils eingelassen. Sie ist, nun ja, unbekleidet und das war wohl Anlass diverser Schülerstreiche und Anekdoten, gerade was die zum Alexandrinum hin gut und weithin sichtbare unbekleidete Vorderansicht dieses ansonsten ziemlich stilisierten Herrn von 1933 betrifft.
Womit dann die Zeit für den Fußmarsch zum Marktplatz und ins Goldene Kreuz zum Mittagessen gekommen war. Dort wartete schon eine ganze Mann(?)schaft von Kellner- und ~innen auf uns – kaum hatten Alle – jetzt: 36, da auch die beiden Lehrer eingeladen wurden – Platz im Innenhof an den 4er bis 10er Tischen gefunden wurden auch schon Getränke bestellt und kurz danach waren auch schon die vorbestellten Speisen aufgetischt. Mir ist auch nicht zu Ohren gekommen, dass es Rangeleien um einzelne Gerichte gegeben hätte, oder dass etwas übrig geblieben und nicht abgerufen worden wäre. So war das Essen schneller vorbei als gedacht und noch jede Menge Zeit bis zum folgenden Stadtrundgang, was Martin spontan (?) auf die Idee brachte, eine Vorstellungsrunde anzufangen. Und im Anschluss an Martins Kurzvortrag – ich hätte es nicht zu träumen gewagt und wahrscheinlich Prügel bezogen, wenn ich diesen Programmpunkt von Anfang an vorgeschlagen hätte – gab es fast kein Halten mehr und nacheinander erzählte beinahe jeder von uns ein paar Highlights aus seinem Leben. Manchen zu laut, manchen zu leise. Aber erfreulicherweise keine “Mein Haus, mein Auto, meine Segelyacht” – Vorträge sondern wirklich – mehr oder weniger kurze – Überblicke zum beruflichen und familiären Werdegang. Wobei am Ende festzustellen bleibt, dass die Meisten heute mit Ihren teil exotische Hobbies und/oder den Enkeln beschäftigt sind. Keiner sammelt anscheinend mehr Briefmarken oder muss noch einmal nach San Francisco…
Nach dem Ausklang des gemeinsamen Vormittags in Schule und Gasthaus mussten einige von uns Coburg schon wieder verlassen oder sanken erschöpft auf die heimische Couch. Der Großteil allerdings blieb noch in den umliegenden Gaststätten und Cafés, machte einen Verwandtenbesuch bei lebenden oder toten Solchen und immerhin doch 19 von Allen nahmen noch an einem geführten Stadtrundgang teil. Organisiert von Gerd Oelsner und geleitet von Frau Edda Hanft machten die sich auf den Weg.
Tja, und damit löste sich dann auch die letzte größere Gruppe unserer Festversammlung nach 2 1/2 (statt der geplanten 1 3/4) Stunden Rundgang durch Coburg und seine Geschichte(n) langsam auf. Ein paar von uns zog es danach noch in die Cafés auf dem Marktplatz. Ob auch welche in ihren ehemaligen Schülerkneipen oder anderen Spelunken versumpft sind, ist nicht überliefert.
Bleibt noch nachzutragen, dass es ab 19 Uhr klassengetrennte Abendessen in 4 verschiedenen Gaststätten gab. Damit könnte man den Tag als wirklich schönes Wiedersehen mit mehr oder weniger guten Bekannten abschließend und wohlwollend bewerten. Ich hab es ja schon vor Ort gesagt: Angesichts der anfänglichen Befürchtungen haben wir unseren Festtag mit viel mehr Leuten als erwartet, bei unverdient gutem Wetter und in bester Laune sowie mit ein paar sicher hängen bleibenden Anekdötchen begangen. Alle, die nicht dabei waren haben etwas verpasst! Klassentreffen sind wohl bei Weitem nicht so schlecht wie ihr Ruf. Zumindest bei uns.
Ich danke zum Schluss allen, die an der diesjährigen Feier mit organisiert, geplant, kritisiert und einfach nur geholfen haben, dass alles klappt und nix passiert; auch Euer Lob hat unser Organisationsteam vielfach erreicht: Dank auch dafür.
Stellvertretend für dieses sende ich einen herzlichen Gruß an alle, die da waren und alle, die gern da gewesen wären. Alles Gute und bis bald!
(Nach) Jürgen (leicht gekürzt)
PS: Der Verein der Freunde und Förderer bedankt sich im Namen der Schülerinnen und Schüler für die großzügige (>1000€!) Spende zum Wohl der Schule
Im Auftrag
Martin Ungelenk